Kirchen sind Lebensorte, dann auch Denkmal
von Dr. Wolfram Hennies
KIETZ „Kirchen sind Lebensorte, dann auch Denkmal, denn ohne die christliche Gemeinde wird es die Kirche auch als Denkmal nicht geben“, erklärte Superintendent Hans-Georg Furian am Sonntag in seiner Predigt, die er anlässlich des Tages des offenen Denkmals in der Kietzer Kirche hielt. Kirchen waren zu allen Zeiten Foren des Gemeinwesens. Allein dadurch, dass Kirchen alle Tage geöffnet waren, boten sie Zuflucht und Unterschlupf für Bedrängte und Hilfesuchende. Menschen kamen in ihnen zusammen, um Rat zu suchen. Furian erinnerte, dass 1973 kirchlichen Stellen die Rekonstruktion dieses Bauwerkes „mehr als fraglich erschien“. Nach der Teilung Deutschlands und der Errichtung der innerdeutschen Grenze stand die Kirche in unmittelbarer Nähe der Elbe und damit im Sperrgebiet. Sie verfiel zusehends. 1992 wurde vom Pfarrer gar von „Lebensgefahr“ gesprochen, wenn man sie betrete. „Es gehörte eine große Portion Hoffnung und Mut dazu, sich an die Sanierung zu machen.“ 1999/2000 haben Kirchengemeinde und der Förderverein Kietzer Kirche mit den umfangreichen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten begonnen. Trotz vieler Mühe und Problemen, aber mit bewundernswertem Engagement ist das bisher gelungen.
Bis auf die Innenausmalung, die im kommenden Frühjahr erfolgen soll, präsentiert sich heute die Kietzer Kirche als wiedererstandenes Denkmal. Sie wurde 1894 auf freiem Feld errichtet als stattlicher neuromanischer Backsteinbau in Kreuzform. Aus dem Vorgängerbau ist der barocke Altar (1706) mit derben Schnitzereien und wahrscheinlich aus gleicher Zeit auch die Kanzel übernommen worden. Sigrid Tietz vom Förderverein Kietzer Kirche dankte Furian unter großem Beifall der Zuhörer für seine Unterstützung bei der Kirchensanierung.
Dem Gottesdienst
schlossen sich Grußworte von Landrat Hans Lange und des Bürgermeisters
von Lenzerwische, Klaus Borrmannan an. Ortrud Effenberger von der
Unteren Denkmalbehörde des Landkreises berichtete über eine Tagung im
April in Marburg „Kirchen im Dorf lassen“. Die Situation der Kirchen im
ländlichen Raum steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem
demografischen und strukturellen Wandel. In der Regel sind es
Fördervereine wie der 1999 in Kietz gegründete, die keine Mühe scheuen,
um der Kirche in ihrem Ort eine Zukunftsperspektive zu eröffnen: „Das
Beispiel Kietz zeigt, was geschafft wird, wenn gemeinsam gehandelt
wird.“
Als Zusammenfassung und Ergebnis ihrer Beratungen verabschiedeten die
Teilnehmer einen Aufruf zum besseren Dialog bei der Erhaltung und
Nutzung von Kirchen im ländlichen Raum. Darin heißt es. „Kirchen im
ländlichen Raum gehören zum unverwechselbaren Erscheinungsbild der
Dörfer und Kleinstädte. Als von weither sichtbare Orientierungspunkte
prägen sie die Landschaft und bezeugen öffentlich die historische
Bedeutung des Christentums in unserer Gesellschaft. Kirchen sind in
unseren Dörfern und Kleinstädten auch heute religiöse, kulturelle und
architektonische Mittelpunkte. Sie sind fester Bestandteil des
kulturellen Lebens, des Brauchtums und der Identität eines Ortes und
einer Region.“
Nach dem Denkmaltagauftakt in der Kirche wurde zur Besichtigung des Wencksternschen Wasserschlosses in Kietz eingeladen. Es wurde um 1480 als freistehendes „Festes Haus“ (Backsteinbau mit Klosterformatziegeln) errichtet. Die Familie von Wenckstern war eine bedeutende Adelsfamilie der Lenzerwische. Der eingeschossige, längsrechteckige und unterkellerte Bau steht in Elbnähe auf einem flachen Hügel und ist umgeben von einem Wassergraben, der z. T. verlandet ist. Gordon Thalmann und Kay Richter (beide Untere Denkmalbehörde des Landkreises) gaben den Besuchern dazu die fachlichen Erläuterungen.
Grabstein des Bartholomäus von Wenckstern
Die Kollekte des Gottesdienstes am Sonntag in der Kietzer Kirche ist zur Restaurierung des Grabsteins von Bartholomäus von Wenckstern von 1553 gedacht. Es handelt sich um ein wertvolles Werk der Frührenaissance. Zu sehen ist ein Adliger in Rüstung, an der Seite schlanke Säulen, eine Frau auf dem Giebelaufsatz hält das Wappen hoch. Der Schöpfer des Grabsteins war der Bildhauer Hans Schenk (1500 bis etwa 1571/72). Von ihm stehen Werke in der Berliner Nikolaikirche und der Marienkirche Werke. Gearbeitet hat er auch am Schloss Grunewald und am Berliner Schloss. Sein Hauptwerk ist im Dom zu Halberstadt zu bewundern: Ein Gedenkstein für den Erzbischof von Magdeburg.
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