Moment mal
von Pfarrer Wolfgang Nier
Gebremste Väter
Welche Rolle spielen die Väter im Leben von Menschen?
Denken sie an ihren eigenen Vater oder denken die Männer unter uns an das eigene Vater-sein und die Frauen an das Vater-sein ihrer Männer und Brüder?
Je nachdem wie gewichtig im Leben oder andererseits problematisch das Verhältnis von Vätern und Kindern ist oder war, werden ihre Gedanken ausfallen.
Ich habe einmal folgendes wahrgenommen: bei einer Geburtstagsfeier unseres ältesten Sohnes, saß natürlich auch Enkel John mit am Tisch und hatte seinen eigenen Spaß mit seinem Onkel. Im Rahmen des Spaßgeplänkels zwischen Onkel und Neffen, sagte mein Sohn einen pseudopädagogischen Satz, bei dem ich dachte: „Den kennst du.“ Und mir fiel ein, dass ich selbst diesen Satz oft verwendet habe.
Das öffnete mir spontan einen weiten Raum für weitere Assoziationen: Wie oft habe ich mich dabei ertappt, das ich einen Satz oder einen Spruch losgelassen habe, den ich selbst als Kind oder Jugendlicher hörend von meinem Vater, zutiefst gehasst habe.
Und doch sitzt so ein Satz tief und wird dann wieder mobil, wenn nach 20 oder 30 Jahren eine ähnlich gelagerte Situation entsteht und da ist er dann wieder: dieser gehasste Satz.
Offensichtlich können wir die Rollen, die wir spielen als Väter und Kinder von Vätern nicht voneinander trennen. Im positiven nicht, aber auch im negativen nicht.
Eine andere Beobachtung in einem jüngst gesehenen Film: da treffen sich Vater und Sohn nach langer Zeit, umarmen sich und klopfen sich dabei wie wild auf die Schulter. Die Szene wirkte auf mich, als wären sie nicht Vater und Sohn, sondern zwei Kumpels, die zusammen beim Militär waren.
Diese seltsame Sprach- und Emotionsunfähigkeit zwischen Väter und Kindern, insbesondere zwischen Vätern und Söhnen, scheint mir auch typisch zu sein für diese spezielle Beziehungskonstellation. Was ist das?
Angst voreinander, Abgrenzungsbedürfnis, ein nicht weiterentwickeltes Verhältnis Vater – Kind, Vater – Jugendlicher, Vater – junger Erwachsener, Vater – erwachsenes Kind? Ist irgendjemand auf einer Stufe stehengeblieben und der andere muss die Abgrenzung gewaltsam durchsetzen, um seine eigene Weiterentwicklung nicht ausbremsen zu lassen?
Sie sehen und merken vielleicht auch in sich, wie vielschichtig und auch widersprüchlich diese beiden Rollen sind, die man spielt.
Die Väter waren in früheren Traditionen in der Regel die Garanten für die Erziehung für außen, für die Gesellschaft, für Ordnung, Arbeit und Disziplin, während die Mütter eher die innere seelische Erziehung hatten. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Dieses spiegelt sich auch in der Bibel wider. Es gibt wenig schöne präsentable Geschichten von Vätern und Kindern, die das Herz anrühren. Es sind eher Geschichten, die das Tragische in der Beziehung zwischen Kindern und Vätern beschreiben.
Ich denke beispielhaft an die Geschichte eines alten Stammesfürsten, der von seinen Söhnen gelinkt wurde, als diese ihren jüngsten Bruder als Sklaven verkauften und dem alten Vater was von „Er wurde gefressen“ erzählten. Diese Geschichte geht nach Jahrzehnten zwar hollywoodgerecht herzberührend gut aus, aber sie spiegelt schon etwas wider von der Art und Weise, wie trotz geordneter und klarer Hierarchie, die Beziehung Vater – Kinder nicht unproblematisch war, vor allem dann, wenn die Väter unpädagogisch genug waren, ein Kind anderen vorzuziehen. Das hat immer Probleme gegeben, bis heute.
Jesus mutet aber in der Beziehungskonstellation Vater – Kind der Vaterrolle den größeren Anteil von Weisheit, Gelassenheit und Liebe zu. In seinem schönsten Gleichnis, in dem er über die Größe der Gottesliebe zum Menschen nachdenkt, verwendet er diese Beziehung Vater – Kind als Bild: Ein Sohn fordert seinen Anteil vom Erbe und verschwindet. Der Vater lässt ihn los. Obwohl ihm das Herz blutet, obwohl er ahnt, wohin das Ganze führen könnte, obwohl es ihm in der Zunge juckt und er ihm gerne viel zu sagen hätte (er ihn gerne zulabern würde), schweigt er und erkennt er die Freiheit seines erwachsenen Sohnes an, die auch die Option eines falschen Weges einschließt.
Vielleicht hat er auch so viel Weisheit zu wissen, dass es nichts nützt, tausend Reden zu schwingen und vor dem falschen Weg zu warnen. Vielleicht weiß er, dass die Erfahrung, einen falschen Weg gegangen zu sein und dabei ordentlich auf die Schnauze gefallen zu sein, tiefer geht und mehr lehrt als ein Referat über falsche Wege.
Was er aber nicht ahnt, dass seine Liebe zu seinem Kind schon längst in seinem Kind gewurzelt hat, denn ohne diese Hoffnung auf den liebenden Vater, wäre der Sohn sicher nicht zurückgekehrt.
Und als der Sohn zurückkehrt, verlässt er seine Rolle, die dem orientalischen Vater in damaliger Zeit zusteht. Er wartet nicht bis der zurückkehrende Sohn bei ihm angelangt ist, sondern er geht, rennt dem Sohn entgegen, so dass diesem die Rückkehr Schritt für Schritt leichter wird. Er spielt nicht mehr die Rolle „Vater“, sondern er überlässt seinem Herz das zu tun, was jetzt richtig ist.
Zwei Gedanken zum Weiterdenken:
1. Wie habe ich meinen eigenen Vater erlebt? Hat er auch für mein Herz und meine Seele gesorgt? Habe ich seine Liebe gespürt?
Wenn ja, dann haben sie für viel zu danken.
Wenn nein, dann haben sie ihm viel zu verzeihen. Vergessen sie dabei nicht und seien sie barmherzig, wahrscheinlich hat er es selbst auch nicht von seinem Vater erfahren.
2. Konnte ich mein Kind loslassen im Wissen, dass es genug Liebe von mir erfahren hat, um jeder Zeit zu wissen, dass es immer zurückkehren kann?
Habe ich genug Weisheit zu schweigen, wenn mein erwachsenes Kind seinen eigenen Weg geht – auch wenn meine Zunge fürchterlich juckt?
Habe ich eine Vater-Rolle gespielt oder habe ich mich meinem Herzen überlassen? Konnte ich die Rolle ablegen, wenn mein Kind mein Herz gebraucht hat und nicht meine lexikalische Weisheit?
Ein praktischer Tipp: Schreiben sie doch an ihre erwachsenen Kinder einen Brief (rufen sie nicht an oder mailen sie auch nicht, da bleibt man meistens oberflächlich). Schreiben sie nichts davon, was sie gestern im Hof gebaut und im Vorgarten gepflanzt haben. Schreiben sie stattdessen, wie wichtig sie ihnen heute noch sind, dass sie sie immer noch liebhaben und dass es ihnen Leid tut, früher nur Sprüche geklopft zu haben, anstatt ihnen ihre Liebe zu zeigen.
Ich glaube, so ein Brief könnte ganz wichtig für ihre erwachsenen Kinder sein.
Denken sie an ihren eigenen Vater oder denken die Männer unter uns an das eigene Vater-sein und die Frauen an das Vater-sein ihrer Männer und Brüder?
Je nachdem wie gewichtig im Leben oder andererseits problematisch das Verhältnis von Vätern und Kindern ist oder war, werden ihre Gedanken ausfallen.
Ich habe einmal folgendes wahrgenommen: bei einer Geburtstagsfeier unseres ältesten Sohnes, saß natürlich auch Enkel John mit am Tisch und hatte seinen eigenen Spaß mit seinem Onkel. Im Rahmen des Spaßgeplänkels zwischen Onkel und Neffen, sagte mein Sohn einen pseudopädagogischen Satz, bei dem ich dachte: „Den kennst du.“ Und mir fiel ein, dass ich selbst diesen Satz oft verwendet habe.
Das öffnete mir spontan einen weiten Raum für weitere Assoziationen: Wie oft habe ich mich dabei ertappt, das ich einen Satz oder einen Spruch losgelassen habe, den ich selbst als Kind oder Jugendlicher hörend von meinem Vater, zutiefst gehasst habe.
Und doch sitzt so ein Satz tief und wird dann wieder mobil, wenn nach 20 oder 30 Jahren eine ähnlich gelagerte Situation entsteht und da ist er dann wieder: dieser gehasste Satz.
Offensichtlich können wir die Rollen, die wir spielen als Väter und Kinder von Vätern nicht voneinander trennen. Im positiven nicht, aber auch im negativen nicht.
Eine andere Beobachtung in einem jüngst gesehenen Film: da treffen sich Vater und Sohn nach langer Zeit, umarmen sich und klopfen sich dabei wie wild auf die Schulter. Die Szene wirkte auf mich, als wären sie nicht Vater und Sohn, sondern zwei Kumpels, die zusammen beim Militär waren.
Diese seltsame Sprach- und Emotionsunfähigkeit zwischen Väter und Kindern, insbesondere zwischen Vätern und Söhnen, scheint mir auch typisch zu sein für diese spezielle Beziehungskonstellation. Was ist das?
Angst voreinander, Abgrenzungsbedürfnis, ein nicht weiterentwickeltes Verhältnis Vater – Kind, Vater – Jugendlicher, Vater – junger Erwachsener, Vater – erwachsenes Kind? Ist irgendjemand auf einer Stufe stehengeblieben und der andere muss die Abgrenzung gewaltsam durchsetzen, um seine eigene Weiterentwicklung nicht ausbremsen zu lassen?
Sie sehen und merken vielleicht auch in sich, wie vielschichtig und auch widersprüchlich diese beiden Rollen sind, die man spielt.
Die Väter waren in früheren Traditionen in der Regel die Garanten für die Erziehung für außen, für die Gesellschaft, für Ordnung, Arbeit und Disziplin, während die Mütter eher die innere seelische Erziehung hatten. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Dieses spiegelt sich auch in der Bibel wider. Es gibt wenig schöne präsentable Geschichten von Vätern und Kindern, die das Herz anrühren. Es sind eher Geschichten, die das Tragische in der Beziehung zwischen Kindern und Vätern beschreiben.
Ich denke beispielhaft an die Geschichte eines alten Stammesfürsten, der von seinen Söhnen gelinkt wurde, als diese ihren jüngsten Bruder als Sklaven verkauften und dem alten Vater was von „Er wurde gefressen“ erzählten. Diese Geschichte geht nach Jahrzehnten zwar hollywoodgerecht herzberührend gut aus, aber sie spiegelt schon etwas wider von der Art und Weise, wie trotz geordneter und klarer Hierarchie, die Beziehung Vater – Kinder nicht unproblematisch war, vor allem dann, wenn die Väter unpädagogisch genug waren, ein Kind anderen vorzuziehen. Das hat immer Probleme gegeben, bis heute.
Jesus mutet aber in der Beziehungskonstellation Vater – Kind der Vaterrolle den größeren Anteil von Weisheit, Gelassenheit und Liebe zu. In seinem schönsten Gleichnis, in dem er über die Größe der Gottesliebe zum Menschen nachdenkt, verwendet er diese Beziehung Vater – Kind als Bild: Ein Sohn fordert seinen Anteil vom Erbe und verschwindet. Der Vater lässt ihn los. Obwohl ihm das Herz blutet, obwohl er ahnt, wohin das Ganze führen könnte, obwohl es ihm in der Zunge juckt und er ihm gerne viel zu sagen hätte (er ihn gerne zulabern würde), schweigt er und erkennt er die Freiheit seines erwachsenen Sohnes an, die auch die Option eines falschen Weges einschließt.
Vielleicht hat er auch so viel Weisheit zu wissen, dass es nichts nützt, tausend Reden zu schwingen und vor dem falschen Weg zu warnen. Vielleicht weiß er, dass die Erfahrung, einen falschen Weg gegangen zu sein und dabei ordentlich auf die Schnauze gefallen zu sein, tiefer geht und mehr lehrt als ein Referat über falsche Wege.
Was er aber nicht ahnt, dass seine Liebe zu seinem Kind schon längst in seinem Kind gewurzelt hat, denn ohne diese Hoffnung auf den liebenden Vater, wäre der Sohn sicher nicht zurückgekehrt.
Und als der Sohn zurückkehrt, verlässt er seine Rolle, die dem orientalischen Vater in damaliger Zeit zusteht. Er wartet nicht bis der zurückkehrende Sohn bei ihm angelangt ist, sondern er geht, rennt dem Sohn entgegen, so dass diesem die Rückkehr Schritt für Schritt leichter wird. Er spielt nicht mehr die Rolle „Vater“, sondern er überlässt seinem Herz das zu tun, was jetzt richtig ist.
Zwei Gedanken zum Weiterdenken:
1. Wie habe ich meinen eigenen Vater erlebt? Hat er auch für mein Herz und meine Seele gesorgt? Habe ich seine Liebe gespürt?
Wenn ja, dann haben sie für viel zu danken.
Wenn nein, dann haben sie ihm viel zu verzeihen. Vergessen sie dabei nicht und seien sie barmherzig, wahrscheinlich hat er es selbst auch nicht von seinem Vater erfahren.
2. Konnte ich mein Kind loslassen im Wissen, dass es genug Liebe von mir erfahren hat, um jeder Zeit zu wissen, dass es immer zurückkehren kann?
Habe ich genug Weisheit zu schweigen, wenn mein erwachsenes Kind seinen eigenen Weg geht – auch wenn meine Zunge fürchterlich juckt?
Habe ich eine Vater-Rolle gespielt oder habe ich mich meinem Herzen überlassen? Konnte ich die Rolle ablegen, wenn mein Kind mein Herz gebraucht hat und nicht meine lexikalische Weisheit?
Ein praktischer Tipp: Schreiben sie doch an ihre erwachsenen Kinder einen Brief (rufen sie nicht an oder mailen sie auch nicht, da bleibt man meistens oberflächlich). Schreiben sie nichts davon, was sie gestern im Hof gebaut und im Vorgarten gepflanzt haben. Schreiben sie stattdessen, wie wichtig sie ihnen heute noch sind, dass sie sie immer noch liebhaben und dass es ihnen Leid tut, früher nur Sprüche geklopft zu haben, anstatt ihnen ihre Liebe zu zeigen.
Ich glaube, so ein Brief könnte ganz wichtig für ihre erwachsenen Kinder sein.
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