Moment mal
von Pfarrer Albrecht D. Preisler
Zwischen Angst und Hoffnung
Der amerikanische Traum scheint augeträumt: Wenn du dich nur anstrengst, wenn Du alles versuchst, wagst, einsetzt, dann kannst du es schaffen. Du hast es in der Hand! Zwei Krisen später haben viele Menschen, besonders Jugendliche, begriffen, dass es nicht nur auf die eigene Kraft ankommt. Man kann in Verhältnissen leben, die blockieren und aufhalten. Oft werden anderswo Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf mein Leben haben. Die Jugend in Tunesien, auf dem Tahrirplatz in Kairo, in Chile, in Madrid oder Tel Aviv, sogar die Jugend in London und anderen englischen Städten, fordert mehr – mehr vom Kuchen, weil sie keine Chance sieht, aus eigenen Kräften ein Stück zu ergattern. So weit, so verständlich. Andererseits: Schnell wird das zur Ausrede. Die anderen sind Schuld an meinen Misserfolgen. Die Lehrer, die mich nicht verstehen, die fehlenden Ausbildungs- und Studienplätze, der Chef, der mein wahres Potential nicht erkennt, die Bürokratie, die hohen Steuern, die Vorschriften, die Politiker, die Eltern, der Staat, die Nachbarn, die Europäische Union. Es ist leicht, die Schuld bei anderen abzuladen.
Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen American Dream und allumfassendem Fürsorgestaat.
Jesus Christus spricht: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern. Lk 12,48
Wenn Jesus uns an unsere Verantwortung erinnert, baut er Druck auf. Er stellt damit keinen Freibrief aus, denen „da oben“, den Reichen und Mächtigen, den Schönen und Klugen die Verantwortung für mich zu übertragen. Alle Menschen tragen Verantwortung. Daran kommt niemand vorbei. Aber er gibt auch die Zusage, dass wir nicht im leeren Raum agieren. Wir sind ausgestattet mit Kraft und der Fähigkeit, Hoffnung zu bewahren. Wir sind ausgestattet mit einem reichen Schatz an Fähigkeiten. Für das meiste können wir nichts – dass wir in einem wohlhabenden Land leben, dass wir gut aussehen oder gerade nicht. Das ist gegeben. Aber wir sind darin nicht dem Zufall ausgeliefert.
Verantwortung ist mehr als das eigene Vorankommen. Verantwortung nimmt die Gemeinschaft und unsere Beziehung zu Gott in den Blick. Gottes Wirklichkeit ist Teil unseres Lebens. Nicht als Zufallsgenerator der Marke „Der Mensch denkt, und Gott lenkt“, sondern als Fundament. Wer so Verantwortung lebt – im Vertrauen auf Gott und im Blick auf die Gemeinschaft, hat Kraft und Gelegenheit: für die Sorge um das eigene Fortkommen, für das Fortkommen der Nächsten und für das globale Geschehen.
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