Moment mal
von Pfarrer Tilmann Kuhn
Nachher ist Vorher
Guten Tag. Sie werden mich kennen. Ich heiße Zeit Punkt. Ich bin der Reporter, der immer den rechten Zeitpunkt verspaßt. Meine Anwesenheit glänzt nach dem Abpfiff. Ich komme, wenn schon keiner mehr da ist. Ich renne hinterher. Wie Sie wissen, ist jedoch nach dem Spiel vor dem Spiel. In Wirklichkeit bin ich also den Dingen immer voraus. Neulich erst kam ich, da war das ganze Zelt schon leer, die Musik war verklungen, das letzte Bierglas gespült. Keiner fand sich, den ich hätte befragen können, niemand wollte sich für mein Blatt fotographieren lassen. Dabei war das Gras großflächig niedergetreten, es müssen viele Leute dagewesen sein.
So zog ich am nächsten Tag los, um den Ereignissen hinterherzulaufen. Denn Sie kennen mein Motto schon: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Zunächst traf ich Lieschen Henschke. Sie wissen, sie ist eine wandelnde Litfaßsäule. Von ihr erfuhr ich, daß über 400 Leute da zusammengekommen sind im Hagen. Und wie sie eifrig erzählte, waren das alles die von der Kirche! „Von Kietz bis Ponitz, von Berge bis Lanz, aus Wittenberge und Perleberg kamen sie. Und haben in aller Öffentlichkeit ihre Lieder gesungen. Und denken sie nur, die haben sogar getanzt am Schluß! Richtig mit Anfassen und so, na, sie wissen schon wie damals, als ich meinen Helmut auf dem Tanzboden zur Brust genommen hab, das vergesse ich bis heute nicht. Nein, aber daß die Kirchenleute sowas machen..."
Mit Tobi kam ich vor dem Gymnasium ins Gespräch, der auch dabeigewesen ist. Ihn hat genervt, daß er mit anderen Jugendlichen sowas wie ein Begrüßungskommitee machen mußte, bedruckte Beutel verteilen und Liedblätter. Von dem, was drinnen geredet wurde, hat er nicht so viel mitgekriegt, aber der Berg von Kuchen zum Kaffeetrinken, das war schon lecker. Und alles selbstgebacken!
Im Kurzwarenladen plauderte dann Frau Jacobi aus dem Nähkästchen: „Also mich hat das schon ergriffen, die vielen Pfarrer und anderen Leute, die alle irgendwie mitgemacht haben. Und sogar ein gewesener Bischof war da, der hat einen Vortrag gehalten, ich sage Ihnen, da ist mir ganz warm ums Herz geworden. Von der Liebe zu den Menschen und so, und daß wir die Mittelmäßigen nicht vergessen sollen. Na, wie es eben so die Christen sagen. War ja auch das Thema des ganzen Festes, liebe deinen Nächsten. Ach irgendwie noch anders, ich glaube ... Nächstenliebe - deine Sache! Genau wie man das von der Kirche erwartet."
Um es noch genauer zu hören, ging ich zum Evangelischen Pfarramt. Nur, daß ausgerechnet da der Akku von meiner Kamera herunter war, ist verdrießlich. Von Pfarrer Kulmann hörte ich, daß der Kreiskirchentag ein schöner Erfolg war, mitten in der Öffentlichkeit das Anliegen und den Glauben der Christen zu zeigen. Nebenbei nahm man noch Abschied von der Kreiskatechetin und dem Superintendenten, die beide andere Aufgaben übernehmen. Nur, daß nicht alle anwesenden Pfarrer ihren Talar mithatten, fand er traurig, denn welchen Eindruck macht so eine Schar in elegantes Schwarz gehüllter Gelehrter. Wo findet man sie sonst außerhalb von Universität und Gericht und mitten im Volk!
Und was meinen Sie, was er mir zum Schluß sagte? Mein eigenes Motto: Nach dem Kirchentag ist vor dem Kirchentag, in zwei Jahren sehen wir uns wieder! Also habe ich am Ende doch Recht behalten. Und vielleicht mache ich mich dann doch rechtzeitig auf den Weg.
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