Moment Mal
von Superintendent i.R. Peter Heß
Konfliktbewältigung ist eine ständige Aufgabe. Längst gibt es dafür ganze Lehrbücher und auch Fachpersonal. Das heißt, dass sich eine kompetente Person darum bemüht,
miteinander in ein Gespräch zu kommen.
Hören und verstehen, was der andere meint. Nicht immer dagegenhalten. Sich erklären dürfen. So können Ursachen entdeckt und Missverständnisse ausgeräumt werden. Da geht es nicht mehr darum, den Bösen zu entlarven und anzuklagen und mit Konsequenzen zu drohen. Vielmehr können Kommunikations- und Reaktionsmuster entdeckt und korrigiert werden.
Man kann sich besser verabreden, wie man miteinander versuchen möchte, zukünftig umzugehen. Also nicht mehr: „Wie du mir - so ich Dir!“ Die Bibel gibt uns ein Beispiel an die Hand, wie wir versuchen können, die alten Muster zu überwinden. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Hierfür war meine Mutter eine gute Lehrerin für mich. Mit einer munteren Kinderschar wohnten wir in der obersten Etage. Unruhe und Schmutz im Treppenhaus waren nicht zu vermeiden. Eine ältere Dame unter uns
konnte damit nicht so gut umgehen. So entwickelte sich eine permanente Spannung. Vorwurf und Anklage waren an der Tagesordnung.
Mutter ließ sich darauf nicht ein. Zum Geburtstag und auch zwischendurch gab es Blumen; bei Begegnungen freundliche Grüße. Darüber hinaus war die ältere Dame immer in ein wohlwollendes, segnendes Gebet eingebunden. Später wurde unsere Mitmieterin dement und unterstellte meiner Mutter, sie zu bestehlen. Es war grenzwertig. Eines Tages, meine Mutter hatte sich von ihrem Muster der Liebe und des Guten nicht abbringen lassen, besuchte unsere Mitmieterin Mutter und bat um Verzeihung: „Es tut mir leid. Ich habe ihnen viel Böses angetan.“
Diese Bitte von einer alten Frau, die verbittert und dement war, wiegt um so mehr. Es war ein langer und mühsamer Weg. Er hat sich aber gelohnt. Es bedarf einer Entscheidung,
sich nicht auf das Muster von Vergeltung einzulassen. Auch wird dieser Weg nicht ohne Mühe gelingen. Zuerst aber gilt es wohl, mit uns selbst zurechtzukommen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Kaum jemand wird von Natur aus wegen seiner freundlichen Mentalität diesen Weg gehen können. Es kostet den Einsatz von Geduld und die Bereitschaft zur Vergebung, nicht erst wenn der Andere darum bittet. Es lohnt sich. Der Kraftaufwand für das Muster: „Wie du mir - so ich Dir“ - ist wohl allermeist höher als der für das neue Muster von Geduld, Freundlichkeit und Vergebung. Schnelle „Erfolge“ sollten wir allerdings nicht im Zeitplan haben. Der Versuch lohnt sich allemal!
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