Moment Mal

von Pastorin Karolin Theiß

Dieser Sommer ist ein Sommer zum Heiraten. Nachdem die Pandemie in den letzten beiden Jahren vielen Paaren ihre Feiern verdorben hat, ist es jetzt endlich wieder anders!

Darum heute ein Blick in das Liebesgedicht der Bibel, in das Hohelied. Dieses Buch unterscheidet sich von den anderen Bücher der Bibel: Hier geht es einzig und allein um die Liebe, um die Liebe zwischen zwei Menschen.

Da wird von einem frisch gebackenen Ehepaar erzählt. Einmal geht der Ehemann an einem Apfelbaum vorbei. Er erinnert sich und seine Frau daran, wie hier ihre Liebe begann. Und sie antwortet mit einem Sehnsuchtslied: „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm.“ (Hoheslied 8,6-7)

Ein Siegel ist ein Stempel, mit dem man sein persönliches Zeichen in eine weiche Masse eindrücken kann. Damals wurden in Israel Siegel aus harten Halbedelsteinen hergestellt. Ein Steinschneider gravierte Muster, Bildszenen oder Schriftzeichen in diesen Stein. Der Abdruck des Siegels galt als Unterschrift: Kaufverträge und Briefe erhielten erst mit dem Siegel ihre Gültigkeit. Haushaltsgegenstände konnte man so als Eigentum markieren. Und wenn der Inhalt eines Kruges als Abgabe für den König oder für den Tempel bestimmt war, wurde in den Henkel das eigene Siegel eingeprägt.

Das Siegel war für die Besitzerin oder den Besitzer also etwas sehr wertvolles und besonders wichtiges. Etwas, das man unter keinen Umständen verlieren durfte, etwas, von dem man sich niemals trennen würde. Darum legte man sein Siegel oft als Schnur um den Hals  („auf das Herz“), als Schmuck um den Arm oder man trug es als Siegelring am Finger. „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm!“ Damit meint die Braut: „Ich möchte dir so wichtig sein, wie das wertvollste, das du hast. Pass gut auf mich auf - auf uns. Trenne dich nicht von mir. Denke immer daran, wie wertvoll und liebenswert ich für dich war, als unsere Liebe ihren Anfang nahm.“

Ein Sehnsuchtslied aus der großen Dichtkunst des Altertums, das auch in unsere Zeit passt. Und ein Anstoß, einmal zurückzukehren an jenen Ort, an dem die Liebe begann und sich zu erinnern an die erste Zeit, an die Hoffnungen und Träume von damals und die Versprechen, die auch heute noch Gültigkeit haben.

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