Moment mal
von Pfarrer Albrecht D. Preisler
Das ist aber auch schwer zu verstehen! EIN Stück Schokolade tut gut, schmeckt und macht fröhlich. ZEHN Tafeln hintereinander machen fett und faul. Die Welt ist kompliziert. Wo verläuft die Grenze zwischen Tut gut und Macht fett?
Dabei geht’s hier nur um Schokolade! Essen und Trinken sind ja ziemlich leicht zu beurteilen. Meistens gilt: Zu viel ist ungesund. Aber wie ist es denn bei Zwischenmenschlichem? Wie viel Launen meiner Freunde muss ich ertragen, ohne etwas zu sagen? Hilft das, den Frieden zu bewahren, oder lasse ich zu, dass meine Freunde sich immer mehr verrennen und einsam werden? Behalte ich meine Meinung für mich, um niemanden zu kränken, oder sage ich etwas unter vier Augen, damit die Kränkung nicht später öffentlich erfolgt? Oder wie urteilt man im Politischen? Wo verläuft die Grenze zwischen allzu Menschlichem, das mal passieren kann, und dem Skandal, der nicht mehr zu tolerieren ist? Haben auch Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, ein Recht auf Fehler und Schwächen wie jede(r) andere oder müssen sie besonderen Maßstäben gerecht werden?
Und erst recht mein Leben! Woher soll ICH denn bitteschön wissen, was richtig ist oder falsch? Es gibt zwar Erfahrungswerte, Erziehung, Gesetze, Regeln. Sie helfen meistens, aber leider nicht immer. Woher erfahre ich, was ich tun soll, im Kleinen wie im Großen?
Da sind meine Freunde, meine Familie. Alle haben Erwartungen an mich. Da sind die Menschen um mich herum, die Gesellschaft. Es geht ja auch um Erfolg, Anerkennung, Wohlstand. Da sind die Gesetze. Man erwartet, dass ich nicht dagegen verstoße. Und dann bin da noch ich selbst. Auch ich habe Hoffnungen, Vorstellungen vom Leben, was ich tun möchte und was nicht. Es ist nicht leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen, das Richtige zu tun.
Für manche Menschen ist der Glaube an Gott eine Orientierung für ihr Leben. Mit den Überlieferungen der Bibel und dem Leben in der christlichen Tradition erhalten sie Hilfe.
Doch der Glaube macht es nicht wirklich einfacher. Jetzt muss ich auch noch auf Gott achten! Was denkt er von meinem Leben? Wie beurteilt Gott mein Verhalten in dieser oder jener Angelegenheit? Na schönen Dank!
Der Apostel Paulus findet eine überraschende und einfache Antwort (1. Korintherbrief, Kap. 10): Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem andern dient.
Es ist ein Unterschied, ob ich mich im Gegenüber zur Welt sehe oder als Teil der Welt, ob ich die Gemeinschaft als Partner oder Gegner sehe oder eben einfach dazu gehöre. Ein Leben in der Gemeinschaft lässt die bohrenden und oft lästigen Fragen nach dem ICH in den Hintergrund treten. Wichtig ist, dass es allen gut geht – und ich gehöre dazu, bin genauso (nicht mehr, aber auch nicht weniger!) wichtig wie die anderen.
Richte ich mein Leben auf die Gemeinschaft aus und auf den, der sie stiftet, nämlich Gott, gewinne ich zwar tatsächlich einen weiteren Bezugsrahmen. Doch entscheidend dabei ist, dass die Ausrichtung auf Gott eine Ausrichtung zum Guten ist. Das ist das, was Jesus Christus uns Menschen immer wieder sagt: Gott ist gut. Gott will das Gute. Und er ist immer bereit, das Gute in dir zu sehen.
Das ist eine großartige Erleichterung: Nicht meine Maßstäbe, nicht die Maßstäbe der anderen, auch nicht des Fernsehens oder der Zeitung entscheiden über mein Leben. Es ist Gottes Güte die unser Leben bestimmt. Selbst wenn ich keinen Plan habe, mich vollständig verrannt habe, kann ich mich neu auf Gott ausrichten.
Vieles davon ist Ausprobieren, weil es nicht immer feste Regeln gibt („alles ist erlaubt“). Das heißt nicht, das alle tun können, was sie wollen. Es heißt nur, dass es keine menschlichen Maßstäbe und Regeln gibt, mit denen wir unser Leben und das der anderen bestimmen können. Das Ganze macht aber auch ungeheuren Spaß, weil wir immer wieder Neues entdecken, wenn wir das Gute suchen und das, was den anderen dient.
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