Moment mal
von Pfarrer Rudolf Klehmet
Arm und reich in einem Land
Am 20. Mai war ich zur Einführung einer jungen Pastorin in der Kirchengemeinde „Heilig Kreuz-Passion“ in Berlin Kreuzberg.
Herrliches Wetter, sommerliche Temperaturen, eine angenehme Atmosphäre, gute Kirchenmusik- alles zusammen trug dazu bei, dass ich mich schnell wohl fühlte in diesem Gottesdienst. Es war eine sehr gemischte Gemeinde: wohlsituierte Besucher, daneben Harz IV- Empfänger, Behinderte und Leute, denen man ansah, dass sie die meiste Zeit des Tages auf der Straße verbringen.
Mir fiel das Jesuswort ein: „ Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“
Nach dem Gottesdienst gab es Kaffee und Kuchen- beides war in Windeseile verzehrt.
Die Kirchengemeinde ist bekannt dafür, dass sie viel Kraft, Zeit und Geld für soziale Arbeit aufbringt. Sie unterhält ein Kulturzentrum „Kultur trotz Armut“. Menschen ohne Arbeit spielen hier Theater oder töpfern, geben so dem Tag eine sinnvolle Struktur.
Obdachlose, die vom Alkohol nicht loskommen, finden in dieser Gemeinde Menschen, die ihnen zur Seite stehen.
Die Organisation „Laib und Seele“ gibt einmal in der Woche für 120 Personen Lebensmittel an Bedürftige aus. Dafür wird ein symbolischer Wert von einem Euro entrichtet.
In der kalten Jahreszeit wird eine Wärmestube offen gehalten, die viel und gerne aufgesucht wird.
Dafür braucht es Menschen, die ihre Zeit, ihre Kraft, ihr Einfühlungsvermögen, ihre Geduld, ihre finanzielle Spendenbereitschaft immer wieder neu zur Verfügung stellen.
Mich hat dieser sonntägliche Nachmittag mit all dem Erlebten nachdenklich gestimmt: auf der einen Seite großer Reichtum, Milliardenbeträge liegen bereit, um Banken zu retten, die oft mitverantwortlich für die jetzige Euro-Krise sind.
Auf der anderen Seite gibt es die blanke Armut, die einigen Gottesdienstbesuchern anzusehen war. Hier hat die Armut ein Gesicht bekommen. Diese Gesichter gehören zu Menschen, die eine Geschichte haben, eine Lebensgeschichte, die sie sich wohl anders wünschten. Da gibt es Sorgen, Resignation, vielleicht aber hier und da auch noch ein wenig Hoffnung, es könne einmal besser werden. Und- da gibt es Scham:
z.B. bei der jungen Mutter, die ihr Kita -Kind krank meldet, weil die Erzieherin mit den Kindern einen gemeinsamen Ausflug plant. Die fünf Euro dafür hat sie aber nicht übrig. Was soll aus diesen Kindern werden? Welche Zukunft haben sie?
Es ist gut, dass auch viele wohlhabende Menschen sich bewusst zur Kirche zählen und die Arbeit der Kirche finanziell mittragen.
Die Lasten dieser bedürftigen Menschen werden etwas erträglicher, wenn andere sie tragen helfen, die einen Teil ihres Geldes, ihrer Zeit und ihrer Kraft verschenken. Denn: „ Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“, so heißt es im Neuen Testament.
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