Moment mal
von Pfarrer i.R. Reinhard Worch
JOSEPH - eine echt coole Geschichte
Was am Tag des offenen Denkmals Christenlehrekinder aus dem Kirchenkreis und Schüler aus dem Religionsunterricht in Wittenberge gezeigt haben, sucht seinesgleichen. Der Altarraum der Evangelischen Kirche glich einer großen Bühne. Als die ersten Töne des Musicals “Joseph, ein cooler Träumer“ aus großen Boxen ins Kirchenschiff einbrachen und die Melodie von 80 Kinderkehlen aufgegriffen wurde, fesselte es sofort die Aufmerksamkeit der großen und kleinen Zuhörer. Und nun standen sie da, die bunt gekleideten, reich mit Gold und Edelsteinen geschmückten Ägypter vom Hofstaat des Pharao und die einfachen Landleute aus dem alten Israel. Sie füllten die Bühne und sangen fröhlich bewegt aus Leibeskräften. Endlich konnten sie zeigen, was sie seit Monaten unter Anleitung der beiden Katechetinnen Martina Herms und Isabella Scholz-Glomke bis ins letzte Detail geprobt hatten. Eltern, Großeltern und viele Ehrenamtliche haben das Projekt mitgetragen, bei Kostümen und den technischen Vorbereitungen geholfen und sie zu den Proben begleitet. „Wenn sich Kinder so toll beteiligen und singen, dann bekommen so gar wir noch eine Gänsehaut.“, sagten die Tonmeister. Allen ging das Musical unter die Haut.
Mit den Geschichten und Gestalten aus längst vergangener Zeit rückten uns plötzlich Probleme unserer Zeit auf den Leib.
Es beginnt mit einem Familienkonflikt. Joseph ist der verhätschelte Lieblingssohn Jakobs. Er wird seinen Brüdern vorgezogen. Aus Wut bringen ihn die Brüder fast um, überlassen ihn schließlich einer Karawane, die nach Ägypten zieht. Er hatte Glück. Sie verkaufen ihn als Sklaven an Potifar, den obersten Leibwächter des Pharao. Bei ihm steigt er auf und wird schließlich sein engster Berater. Dann hat er Pech, Potifars Frau hat ein Auge auf den hübschen israelischen Jungen geworfen. Als der sich nicht verführen lässt, bringt sie ihn ins Gefängnis. Wieder hat er Glück. Er kann Träume deuten. Im Gefängnis trifft er auf zwei in Ungnade gefallene hohe Beamte. Joseph deutet ihre Träume, die so eintreffen, wie er es vorausgesagt hat. Einer wurde begnadigt, einer wurde erhängt. Der Begnadigte erinnerte sich an den Traumdeuter im Gefängnis, als ein Traum dem Pharao keine Ruhe gab und niemand von seinem Hofstaat ihn deuten konnte. Dem Pharao waren sieben fette Kühe erschienen, die von sieben mageren Kühen aufgefressen wurden. Joseph enthüllt das Geheimnis: Es werden auf sieben Jahre mit reicher Ernte sieben Dürrejahre folgen. Daraufhin setzt ihn der Pharao an die zweite Stelle des Staates. Er überträgt dem klugen Ausländer einen Teil seiner Macht. Joseph bekommt den Auftrag, Wirtschaft und Finanzen so zu organisieren, dass man in den guten Jahren für die schlechten Zeiten Vorsorge trifft. Mit einfachen und vernünftigen Gepflogenheiten begegnet er im Vorfeld der drohenden Krise. Leider orientiert sich niemand mehr am Krisenmanagement des Politikers Joseph.
Aus den angrenzenden Hungergebieten ziehen Scharen von Flüchtlingen nach Ägypten. Auch seine Brüder erscheinen mit dem Vater Jakob. Sie glauben nicht, dass ihr Bruder die Sklaverei überlebt haben könnte. Erst recht können sie nicht ahnen, dass er ihnen als zweitmächtigster Mann im reichsten Land der Welt entgegentritt. Zu den bewegendsten Erzählungen der Literatur gehört, dass sich Joseph bei den ersten Begegnungen nicht zu erkennen gibt. Er stellt seine Brüder sehr hart auf die Probe und muss erkennen, dass sie ein tiefes Schuldbewusstsein quält. Als sich ein Bruder für die vermeintliche Schuld eines anderen opfern will, kann Joseph sich nicht mehr zurückhalten und gibt sich zu erkennen. Die Brüder fallen vor ihrem mächtigen Bruder auf die Knie. Doch er hebt sie auf: „Stehe ich an Gottes Statt?“, sagt er. „Ihr gedachtet es Böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen!“
Diese in eine einzige Story gepackte Familien-, Völker-, Glaubens- und Weltgeschichte haben uns die Kinder sehr nahe gebracht. In ihr finden wir uns wieder. Sie schenkt uns aber die Einsicht, dass Klugheit und Demut, Liebe und Großmut aus großen Krisen führen kann.
Reinhard Worch
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