Moment mal
von Pfarrerin Brigitte Worch
Komm, bau ein Haus, in dem man sicher wohnen kann.
Ich sehe zu, wie ein Haus gebaut wird. Die Bodenplatte ist schon fertig. Nun wird Stein auf Stein gesetzt. Es wächst langsam. Die Außenwände geben die Größe an. Noch sind die Öffnungen für Fenster und Türen nicht geschlossen. Aber bevor das Dach aufgesetzt wird, werden auch sie eingesetzt. Die Fenster gelb, die Tür weiß, das Dach rot. Ein buntes Haus. Es erinnert mich an das bunte, mal runde, mal eckige, mal mit geraden und mal mit schiefen Ebenen versehene Hundertwasser-Haus, das ich vor ein paar Tagen wieder in Magdeburg bewundert habe. Nein, bei dem Hausbau vor meinen Augen ist alles sehr gerade, rechtwinklig, sonst würde es ja auch nicht standsicher sein. Aber eben auch bunt. Vor mir steht ein Lego-Haus, gebaut von einem Kind. Außen schön, aber innen natürlich leer. Doch Türen und Fenster machen deutlich, hier kann man rein- und rausgehen, man kann durchs Fenster sehen. Wenn Licht an wäre, könnte man auch von außen hinein sehen, wer alles in diesem Haus wohnt. Das Kind freut sich. Ein stolzer Baumeister, der sein Werk vollendet hat.
Meine Gedanken gehen zu den leeren Häusern in manchen Dörfern oder zu den vielen leeren Wohnungen in der Stadt. Kein Licht in dieser Zeit der frühen Abende zeigt eine Lebendigkeit und Vertrautheit, wie es bewohnte Häuser tun. Darum wird manches Haus abgerissen oder wie es besser heißt: zurück gebaut. Das zu sehen ist schmerzlich, obwohl es vernünftig ist. Denn leere Fenster, leere Häuser sind bedrückend. So sieht es nun mal aus, wenn die Zahl der Einwohner zurück geht. Aber mit Freude und Genugtuung kann man auch auf die ausgebauten oder neu entstehenden Häuser blicken. Das sind nicht nur Einfamilien-Häuser, sondern auch die alten, oft großen Stadthäuser. Ergänzt durch neue Anbauten, modernisiert mit altersgerechten Hilfen, verschönt mit Balkons, kleinen Gärten oder grünen Innenhöfen bilden sie einen Wohnraum, der für viele angemessen ist. Wir haben einen hohen Standard des Wohnens erreicht.
„Komm, bau ein Haus, das uns beschützt, pflanz einen Baum, der Schatten wirft und beschreibe den Himmel, der uns blüht.“ In diesem Liedtext kommt zusammen, was zum Wohnen und Leben gehört: Schutz, ein gutes Umfeld und die Geborgenheit in guten und schweren Zeiten in menschlicher Vertrautheit zu sein. Natürlich ist das nicht immer so und bestimmt gibt es viele Menschen, die sich das hier wünschen, aber aus den verschiedensten Gründen nicht erreichen.
Ein Kind aber baut sein Legohaus. Und wenn das Spiel zu Ende ist, ist es leicht auseinander zu nehmen.
Kein Spiel, sondern tödlicher Ernst sind die zerstörten Häuser, die wir täglich im Fernsehen aus den Kriegsgebieten sehen. Menschen, die gestern oder vor ein paar Monaten noch gearbeitet, geplant, Häuser gebaut und einfach gelebt haben, stehen nun vor den Trümmern, wenn sie nicht so gar ihr Leben verloren haben. Krieg in Syrien, in Mali, nun auch in Gaza und Israel. Menschen
suchen in Bunkern und bombensicheren Räumen Schutz. Andere fliehen und hoffen, dass ihnen Grenzen und Türen geöffnet werden. Wir sehen die Bilder vom realen Grauen, das scheinbar keiner abwenden kann. Und es wird noch lange kein Weg sichtbar, wie die verfeindeten Seiten in Verhandlungen gezwungen werden könnten.
Aber wo ist die Hoffnung, ohne die man nicht leben kann?
Die friedliebenden Menschen in dieser Welt, gesellschaftlich Engagierte, Pazifisten, Christen, politisch Interessierte und viele andere, müssen noch ganz anders und viel entschlossener das Lied vom beschützenden Haus anstimmen.
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