Moment mal
von Pfarrer Albrecht D. Preisler
Drei Menschen sitzen in einer Bankreihe.
Die junge Frau hat eine tolle Zeit hinter sich. Nach dem Studium konnte sie gleich bei einem der größten Unternehmen der Branche eine gute Stelle antreten. Sie verdient viel Geld, mehr als sie eigentlich braucht. Im ersten Jahr hat sie eine lange Südamerikareise unternommen. Im zweiten Jahr fuhr sie nach Neuseeland. Im dritten Jahr übernahm sie die Leitung ihrer Abteilung. Sie war die jüngste Abteilungsleiterin im Unternehmen. In den Urlaub fuhr sie nicht. Dafür wurde die Wohnung größer. Die große Küche bleibt aber meist kalt, denn auch am Wochenende finden Konferenzen statt. Mehrere Wochen pro Jahr verbringt sie in der Zweigstelle in Brüssel.
Der Mann um die fünfzig lässt die Schultern hängen. Das Haus ist leer. Die Kinder sind zur Ausbildung in die Großstädte gezogen. Sie rufen von Zeit zu Zeit mal an. Er hat es aufgegeben, bei ihnen anzurufen. Es ist sowieso immer nur der AB dran. Mit seiner Frau ist es schwierig geworden zu reden. Sie investiert viel Zeit in den Verein.
Die Spaziergänge sind ihr Halt. Jeden Tag zwei Stunden, vormittags und nachmittags. Die Luft riechen, Sonne, Wind und Regen erleben, das Wachsen und Verblühen der Blumen, die Knospen des Frühlings. Seit 17 Jahren allein. Ein Herzinfarkt aus heiterem Himmel. Es war nicht leicht, sich daran zu gewöhnen. Noch immer ist jedes Frühstück eine Qual. Essen ohne ihn. Die Rentnerin ist Witwe. Sie war nie ein Kind von Traurigkeit, aber jetzt ist niemand mehr da zum Lachen.
Sie sitzen in einer Bankreihe. Es ist Gottesdienst. Sie singen mit einander. Es klingt nicht wie in der Oper, aber es tut gut.
Warum sind sie gekommen? Suchen sie einen Ort der Ruhe? Brauchen sie Abstand zum Alltag? Möchten sie mal für eine Stunde raus aus den eigenen vier Wänden? Ist es eine gute Gewohnheit? Ist es die pure Langeweile? Einfach nur Zufall?
Drei Menschen sitzen in einer Bankreihe. Sie haben nichts miteinander zu tun. Sie begegnen sich sonst nicht, haben nichts gemeinsam. Hier funktioniert das. Es ist hier in Ordnung. Gott führt die Menschen zusammen. Die Gemeinschaft entsteht, weil Jesus Christus die Grenzen zwischen Menschen überflüssig macht. Sie hören die Klänge, die Worte, sie beten. Das bewegt. Es verändert. Es verändert die drei, es verändert ihren Blick auf das Leben. Sie sehen sich an: Geld und Erfolg garantieren nicht ein zufriedenes Leben. Älter Werden ist keine Katastrophe. Allein leben muss nicht Einsamkeit bedeuten.
Die drei bleiben noch einen Augenblick sitzen, als der letzte Ton verklungen ist. Dann stehen sie auf. Sie lächeln. Zum Abschied reichen sie sich die Hand.
Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden! (2. Korinther 5, 17)
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