Moment mal
von Wilfried Schmidt
„Da hilft nur noch beten!“ So sagt mancher, wenn er gar nicht mehr weiter weiß. Klingt ganz so, als sei das Gebet wirklich nur etwas für solche Situationen. Sonst braucht man es nicht. Gebet als Ausdruck von Hilflosigkeit und Ratlosigkeit? Auch der Philosoph Johann Gottlieb Fichte verstand Beten wohl eher als eine Art der Machtlosigkeit, als er sagte: „Das Kind betet, der Mann will.“
Der Erwachsene will. Und macht. Doch das muss kein Widerspruch zum Beten sein. Sehr oft kommen wir mit unserer Macht ans Ende und dann hilft alles Wollen nicht. Da ist es einfach gut, jemand zu kennen, der den Überblick hat und weiter weiß.
Viele Menschen erleben ihre Situation als unübersichtlich: Was soll ich nur machen? Wie sollte ich jetzt reagieren? Welche Worte sind die richtigen? So geht es einem vielleicht in der Begegnung mit dem Chef oder mit den Angestellten. So geht es Eltern mit ihren Kindern und Kindern mit ihren Eltern. So geht es Leuten, die in Streit verwickelt sind und nach Wegen suchen, da heraus zu kommen. Und so geht es auch uns als Gesellschaft. Da sind einige Themen, die uns stark bewegen. Viele wissen genau, was jetzt dran ist. Aber es ist immer etwas anderes. Was ist denn nun das Richtige?
Oft hilft auch unser Wollen nicht weiter. Da ist es für mich eine große Erleichterung, dass wir beten können. Wir können an Jesus abgeben, wo wir nicht weiterwissen. Wir können ihn bitten, uns die richtigen Gedanken zu geben, die richtigen Worte – für den Chef, den Mitarbeiter, die Kinder, die Eltern. Beten ersetzt ganz sicher nicht unser Handeln, bringt und hält uns aber auf einer guten Spur.
Wir können Jesus für Politiker und andere Entscheidungsträger bitten, dass sie im Hören aufeinander den Weg finden, der für alle gut ist (wenn vielleicht auch nicht unbedingt leicht).
Wenn wir jetzt nicht wissen, wie das alles werden soll, und fragen, ob Beten überhaupt hilft, dann dürfen wir gern an den Herbst 1989 denken. Da waren viele Menschen in den Kirchen, um Gottes Beistand und Handeln zu erbitten. Und Gott schenkte einen Neuanfang, die Wende. Und wir können auch heute darum beten, dass Gott das Unmögliche macht. Hier – und auch in anderen Ländern.
In dieser Woche treffen sich in vielen Ländern auf der ganzen Erde Christen aus verschiedenen Kirchen, um gemeinsam zu beten. Auch in Lenzen, Perleberg und Wittenberge gibt es Angebote der „Weltweiten Gebetswoche der Evangelischen Allianz“. Es ist zum einen eine tolle Sache, im Glauben an Jesus mit vielen Menschen verbunden zu sein. Und es ist eine tröstende Sache, Gottes Beistand und Hilfe für das neue Jahr zu erbitten, für alle Dinge, wo wir einfach nicht klar sehen und unser Horizont begrenzt ist.
Und es schenkt Freude, zu wissen, dass Jesus dabei ist, mitten drin in meinem Leben. Darum kann man alle Zeit mit ihm reden, wie mit einem guten Freund. „Beten ist Verweilen bei einem Freund.“ So hat es Teresa von Avila einmal gesagt. Ich wünsche, dass auch in diesem Jahr viele genau diese Erfahrung machen können.
Wilfried Schmidt
Kommentare
Einen Kommentar schreiben