Moment Mal
von Pfarrer Tilmann Kuhn
Dies ist ein Haus Gottes!
„Dies ist ein Haus Gottes!“ – in großen rot-weißen Lettern prangte dieser Satz vor etlichen Jahren außen an der Kirchenwand. Das war keine Künstler-Performance und das war auch nicht abgesprochen, geschweige denn genehmigt. Das war ein Protest. Gewissermaßen ‚Pegida an der Kirchenwand‘, bevor Pegida überhaupt erfunden wurde. Der Protest richtete sich gegen eine Zweckentfremdung der Kirche für ein Rockkonzert. Seitdem bewegt mich dieser Satz. Selbst junge Leute wissen, dass man Kirchen als Gotteshäuser bezeichnet. Und so frage ich gern: ‚Wo meint ihr, dass Gott wohnt?‘ Und es ist dann meine Aufgabe, zu erklären, dass Gott nicht in dieser und auch in keiner anderen Kirche wohnt. Die Kirche ist das Haus, in dem Gottes Ehre wohnt. Und die wird von Menschen zum Ausdruck gebracht, indem sie sich versammeln, um das Wort Gottes zu hören, ihn mit Liedern zu loben, in Gebeten zu bitten, ihm zu danken, im Abendmahl die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott zu feiern, Höhepunkte im Lebenslauf zu zelebrieren.
Sogar ein Rockkonzert kann dazu dienen, wenn die Inhalte und das Verhalten der Zuhörer einen Gottesbezug beinhalten. Was aber, wenn es keine Menschen mehr gibt, die zu diesem Ehrendienst, oder besser zu diesem Gottesdienst in die Kirche kommen? Wohnt dann noch Gottes Ehre darin?
Mittlerweile gibt es einige Beispiele für andere Kirchennutzungen: Sparkasse, Gaststätte, Kolumbarium (Urnenruhestätte), Architekturbüro, Synagoge, Moschee. Nirgendwo passt dann das Wort ‚Gotteshaus‘ mehr für diese Gebäude. Und wir werden erleben, dass die Zahl der Ortschaften steigt, in denen die Kirchen nicht mehr als Kirchen genutzt werden.
Eine solche Perspektive macht mich traurig. Denn es ist mir ein Lebensbedürfnis geworden, in Kirchen Gott die Ehre zu geben. Dann fühle ich mich zuhause, angekommen und ernst genommen. Dann erfahre ich eine Dimension von Wirklichkeit, die weit über das Sichtbare hinausgeht. Wie soll es in Zukunft gehen, einem solchen Bedürfnis nachzukommen? Zunächst einmal mag es das Wort selbst sein, das seinen tröstenden Anspruch an uns heranträgt. ‚Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet‘ lautet die Jahreslosung aus dem Buch Jesaja. Zum andern aber geht es weniger um das Gebäude der Kirche, als um die Gemeinschaft der Gläubigen.
‚Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen‘ ist der Zuspruch Jesu selbst im Matthäusevangelium. In der Begegnung von Menschen also geschieht das, was zu Gottes Ehre führt. Dazu braucht es nicht unbedingt eine Kirche. Schön, wenn sie da ist und genutzt werden kann. Aber wenn die großen Kirchen einmal nur noch von Touristen aufgesucht werden, bestenfalls noch von Pilgern, dann werden immer noch Menschen sich finden, die sich im Glauben begegnen und aus dieser Begegnung wird sich das Gotteslob erheben.
Noch werden die meisten Kirchen ehrenamtlich betreut und erhalten. Viele Menschen setzen ihre Kraft, ihre Zeit und ihr Geld dafür ein. Das ist aller Achtung und allen Dankes wert. Und immer bleibt die kleine Hoffnung, dass es hier wie dort auch gelingt, weitere Menschen für ‚ihre‘ Kirche zu interessieren und zu gewinnen. Wenn alle, die heute bei Pegida und ihren Ablegern gegen eine Entfremdung demonstrieren, sich für ihre Kirchen einsetzten und sie als Ort, da Gottes Ehre wohnt entdeckten, würden sie mehr für die Erhaltung unserer abendländischen Kultur tun, als sie es mit Demonstrationen je erreichen können. Denn wer über das Haus Gottes nachdenkt und sich dorthin wendet, wird den Satz leicht abgewandelt sagen: ‚Du bist ein Haus Gottes!‘ Und darüber können wir allemal ins Gespräch kommen.
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