Moment Mal
von Pfrn. Verena Mittermaier
Das Kreuz mit dem Hunger
Die O-Töne und Bilder schockieren, die Wortwahl der Meldungen klingt drastischer als sonst: „Die Welt steht vor der größten humanitären Katastrophe seit 1945“, heißt es aus den Vereinten Nationen. Denn in Ostafrika bahnt sich derzeit eine dramatische Hungersnot an. Hintergrund ist die anhaltende Dürre. In manchen Gegenden etwa in Somalia hat es seit zwei Jahren nicht mehr geregnet. Der fortschreitende Klimawandel verschärft die schwierigen Lebensbedingungen in dieser Region. Unter den Folgen leiden Unzählige: Rund 20 Millionen Menschen in den vier Krisenstaaten Somalia, Südsudan, Nigeria und Jemen drohe der Hungertod, warnen Experten. Von den benötigten Spendenmitteln, um das Schlimmste zu verhindern, seien in diesem Jahr erst 7% zusammen gekommen.
Hunger - das Kreuz vieler Menschen unserer Tage. Ganze Bevölkerungsgruppen, ja ganze Länder und Kontinente schleppen schwer an diesem Kreuz. Für viele Menschen im Südsudan oder in Nigeria kann jeder Tag zum Karfreitag werden. Zum Hunger verurteilt und von Hilfe abgeschnitten, werden sie zu Todesopfern der Weltlage. Womöglich bald in unvorstellbar großer Zahl.
Um das Kreuz geht es auch in der Passionsgeschichte. Die Passion, das Leiden von Jesus, der zum Tod am Kreuz verurteilt wurde, ist in den sieben Wochen vor Ostern besonders im Blick. Die sieben Wochen der Passionszeit galten von alters her als Fastenzeit. Das Fasten sollte helfen, der Besinnung Raum zu geben. Auch heute übt sich so mancher in diesen Wochen im bewussten Verzicht. Sei es, Alkohol, Schokolade oder Fleisch zu meiden. Sei es, sich bestimmte Angewohnheiten bewusst zu machen und manche Dinge anders anzupacken, Neues einzuüben.
Passt das eigentlich zusammen? Dort am Horn von Afrika haben Millionen Menschen nicht das Allernötigste zu essen. Hier „verzichten“ andere ganz bewusst – auf hohem Niveau und meist mit gut gefülltem Magen. Zynisch? Absurd?
Ein kleines Zitat aus meinem diesjährigen „Fasten-Wegweiser“ regt mich an, beide Themen zusammenzudenken. Kirchenvater Augustinus (354-430) bemerkt einmal über das Fasten: „Gewiss hast du auf etwas verzichtet. Aber wem wirst du das geben, auf das du verzichtet hast?“
Fasten soll kein Selbstzweck sein. Sein Sinn wäre verfehlt, würden die Gedanken dabei ausschließlich um mich selbst kreisen. Die Fastenzeit verweist mich im Gegenteil auf andere. Sie verweist auf das Kreuz – das Kreuz, an dem damals Jesus hing, und das Kreuz, unter dem heute Menschen zusammenbrechen.
Und mir wird neu bewusst, was ich theoretisch längst weiß: mein Leben und das der anderen hängen miteinander zusammen. Der Hunger in Afrika lässt sich vom Wohlstand der Industrieländer nicht getrennt betrachten. Erst recht nicht in Zeiten des Klimawandels. Einfach ausgedrückt: Damit die Einen Zugang zum Nötigsten haben, müssen die Anderen von ihrem reich gedeckten Tisch etwas abgeben.
Da bin ich wieder beim Verzichten angelangt. Diesmal verknüpft mit einer konkreten Problemlage. „Wem wirst du das geben, auf das du verzichtet hast?“ Ich möchte im Internet die Seite über die Hungersnot in Ostafrika noch einmal aufklicken. Da stand, meine ich, eine Kontonummer dabei.
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