Moment mal
von Pfarrerin Brigitte Worch
Über Geschenke, die schädlich sind
Es gibt eine kirchliche Tradition, nach der man jeden Tag einen Satz aus der Bibel lesen kann und in ihm vielleicht etwas Zutreffendes für sich entdeckt. Diese biblischen Texte werden aus passenden Worten des Alten Testamentes für ein Jahr ausgelost, wie eine Gewinnzahl bei der Lotterie. Darum heißen sie auch „Losungen“. Und manchmal liest man dann so einen Satz und denkt, was hier steht, das passt ja genau zu dem, was mich oft aufregt und wogegen ich doch scheinbar machtlos bin. Solch eine Losung ist die vom Freitag, dem Tag, an dem ich diesen Artikel schreibe:
„Du sollst dich nicht durch Geschenke bestechen lassen, denn Geschenke machen die Sehenden blind und verdrehen die Sache derer, die im Recht sind.“ (2.Buch Mose 23,8)
Die Korruption, wie wir es heute nennen, wird hier angesprochen. Sie ist also ein uraltes Thema im Zusammenleben der Menschen. Sie fördert nicht die Gemeinschaft, sondern sie entwickelt ungerechte, zerstörerische Tendenzen. Sie dient dazu, Ansprüche und Begehrlichkeiten mit unlauteren Mitteln durchzusetzen. Mit Geschenken, mit zugestecktem Geld oder mit anderen Vergünstigungen erkauft sich jemand das Besondere, das er erreichen will. Bezeichnenderweise sind keine Gesellschaft und keine Gemeinschaft davon ausgenommen. Gibt es Zeiten des Mangels, dann ist das eine Form, an begehrte Güter zu kommen, die sonst schwer zu haben sind. Gibt es politische Machtkämpfe, werden Gegner so ausgestochen, beseitigt, diffamiert, aus dem politischen Rennen geschlagen. Will man eine Tat oder ein schreckliches Geschehen vertuschen, zahlt man Schweigegeld. Braucht man willfährige Zustimmung für umstrittene Entscheidungen, kauft man sie sich mit netten Zuwendungen einfach ein.
In vielen großen Staatsaffären, bei Spendenskandalen, unerlaubten Waffengeschäften und vielem mehr ist Korruption im Spiel. Das geschieht weltweit gleichermaßen in Diktaturen und Demokratien. Die Geschichte der letzten Jahrzehnte ist reich an Korruptionsskandalen. Manchmal werden solche Geschichten aufgedeckt und bestimmen die Schlagzeilen der Medien und beschäftigen die Gerichte. Es ist gut, wenn wenigstens im Nachhinein ein wenig Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommt und vielleicht sogar politische Konsequenzen gezogen werden. Aber die Korruption wird natürlich nicht aus der Welt geschafft, denn sie funktioniert, mit ihr können viele ihre unsauberen Ziele erreichen.
In allen Religionen, in allen Staatslehren von der griechischen Antike bis zur Gegenwart und in allen ethischen Grundregeln der verschiedenen Philosophien gehört die Korruption zu den Sünden, Kapitalverbrechen, sozialen Verfehlungen (wie immer sie auch bezeichnet wird), die wie ein „Krebsgeschwür“ von oben kommend das ganze Volk zerstört. Jeder weiß also, wie schwerwiegend schädlich sie ist und keiner kann sie schön reden. Im deutschen Strafgesetzbuch wird sie als Straftat bewertet. Bei so schlimmen Dingen schauen wir gerne auf andere, „nach oben“ zu denen, die nicht nach Recht und Gesetz fragen und mit ihrem korrupten Tun Wirtschaft und Politik durchziehen. Aber angesprochen in dieser Verhaltensregel der Bibel ist jeder, der das liest, jeder, der sich Gedanken um das Zusammenleben in einer Gesellschaft macht und möchte, dass es gelingt. Und dafür soll Verantwortung im privaten wie im öffentlichen Bereich übernommen werden. Zum korrupten Handeln gehören immer zwei. Einer der bestechen will und einer, der die Bestechung annimmt. „Die Hand aufhalten“ oder eine „hohle Hand haben“ sind Synonymwörter der Bestechung und zeigen die Haltung der Empfänger. Und genau die werden mit dem Gebot, das hier überliefert ist, ermahnt. Die ein Geschenk annehmen, die sich eventuell bestechen lassen könnten, müssen die Starken sein, die die Kraft haben, solch ein Ansinnen zurück zu weisen. Denn die Bestechung macht sie „blind“, beeinträchtigt ihre Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Sie können nicht mehr abwägen, was das Richtige, Gute oder Angemessene in einer Angelegenheit ist, sondern sie handeln, wohin sie im Sinne der Bestechung gedrängt werden. Das geschieht oft zum Nachteil des Rechtes und zum Nachteil der Schwachen in einer Gemeinschaft.
Das Gebot Gottes, das diese menschliche Fehlleistung „Korruption“ deutlich macht, mahnt mit höchster Autorität an, was nicht sein soll. So dient es dem Wohl der menschlichen Gemeinschaft, damit Leben im Großen wie im Kleinen gelingt in Frieden und Gerechtigkeit.
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