Wort zur Woche
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
Gib mir Asyl
Liebe Leser,
„Gib mir Asyl hier im Paradies. Hier kann mir keiner was tun… “ singt die an Krebs erkrankte Tamara Danz 1996 von der Rockgruppe „Silly“ in ihrem Lied „Asyl im Paradies.“
Es ist ein ehrliches Liebeslied. Das Paradies zu träumen und zu glauben ist notwendig, um die Realität einfach nur aushalten zu können.
Und: Wir sind immer wieder mal auf der Flucht. Ich will mich nicht stellen, ausweichen, kneifen. Wo ist für mich eine geschützte Atmosphäre?
Menschen brauchen ein, und wenn auch nur vorübergehendes, Asyl. Zu hause ist es nicht mehr auszuhalten bei all den Spannungen. Kann ich untertauchen bei einem Freund oder einer Freundin, ohne dass die großen Probleme gewälzt werden?
Der Chef ist ein Wolf. Arbeitnehmer fühlen sich wie gehetzte Opfer. Kann es zum klärenden Gespräch kommen oder ist der einzige Fluchtweg die Kündigung, die Krankheit oder das Ausgebranntsein?
Menschen leiden unter der Geschwindigkeit des Alltages. Gibt es Verschnaufpausen … „nur den Moment um mich auszuruhn?“
"Wo soll ich fliehen hin, wenn ich mir selbst nichts bin? Fühl ich mich überflüssig, des Lebens überdrüssig, dann möcht ich mich verkriechen, nichts sehen, hören, riechen...“ singt Gerhard Schöne auf seiner CD „Ich bin ein Gast auf Erden.“
Fluchtträume, die Sehnsucht nach dem Paradies und die Bitte um einen Schutzraum: Das sind deutsche Gedanken und Gefühle, mitten unter uns und in mir.
Und im Mittelmeer schreien Menschen auf wackligen Booten: Gebt uns Asyl! Wir haben keinen Lebensort mehr. Wir setzen alles auf eine Karte um aus Syrien, Somalia oder Eritrea rauszukommen. Wir haben nichts mehr, nur noch das nackte Leben! Viele sterben einsam und ohne jegliche Hoffnung in den Fluten. Das Paradies Europa haben sie nicht erreicht.
Meinungen prallen unter uns, auch unter Christen, aufeinander. Es geht ums Geld.Es geht um die Angst selbst zu kurz zu kommen weil die da, die Gestrandeten, von unserem Kuchen etwas abhaben wollen.
Wenn wir in uns hineinschauen, dann werden wir vielleicht den Flüchtling, den Mitmenschen vor Lesbos entdecken. Schauen wir dem asylsuchenden Syrer hier bei uns in’s Gesicht. Vielleicht entdecken wir uns selbst in ihm, mit unseren Sehnsüchten und Hoffnungen. Und dann kommen wir miteinander ins Gespräch. Das hilft.
Allen Lesern ein wohltuendes und gesegnetes Wochenende!
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