Wort zur Woche
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
Mauern mauern ein
Mauern halten Menschen von Menschen fern. Und Mauern erzeugen Einsamkeit auf beiden Seiten. Wir in Deutschland können ein Lied von Mauern singen: „Auf der Mauer, auf der Mauer sitzt ne kleine Wanze....“ haben wir gern zu DDR-Zeiten im Blick auf das „Verwanzen“ von Wohnungen scheinbar gefährlicher Menschen gesungen.Es war ein Akt der Angst des DDR-Staates vor den eigenen Bürgern.
Dem neuen US-Präsidenten fehlt offenbar die Erfahrung, dass eine streng bewachte Mauer verletzt und tötet, ohne dass dadurch ein Funken mehr Sicherheit für die ummauerten Bürger auf Dauer entsteht.
Menschen in einer lebensbedrohlichen Not oder einfach im Wissen, dass sie in ihrem Land keine würdige Lebensgrundlage mehr haben, werden noch so hohe Mauern überspringen oder sie untergraben.
Und im übertragenen Sinne, eine ideologische Mauer zwischen Muslimen und Christen zu denken und zu erklären, sät Hass und Feindschaft, statt eine Verständigung und Frieden möglich zu machen.
Es gibt die Angst vor einem wie auch immer motivierten Terror. Und es gibt eine sich ausbreitende Wut derer, die sich durch Stein-oder Gedankenmauern ausgeschlossen und gebrandmarkt fühlen als Bedrohung, allein durch ihren Glauben.
Wir im Osten und im Westen, kennen die Sehnsucht nach Freiheit. Und wir kennen auch den heimlichen Wunsch nach Abschottung, für uns zu sein und die komplizierte Welt draußen zu lassen.
Ich wünsche uns die lebendige Erinnerung an das Leben im ummauerten DDR-Staat und denen im ehemaligen Westen die Erinnerung an die demütigenden Grenzkontrollen in Drewitz oder Helmstedt. Wenn diese Erinnerung konkret und wach da ist, dann werden wir das Vertrauen und den Mut entwickeln, aufeinander zuzugehen und über unsere Ängste zu sprechen. Dann werden wir erleben, dass wir voneinander lernen und miteinander stark sein können. Die drohenden terroristischen Bomben werden wir gemeinsam entschärfen können durch kluges und rationales Verhalten. Vielleicht werden sogar aus vermeintlichen Feinden treue Freunde.
Mauern können auch zeitweiligen Schutz bieten. Das ist die Idee von einem Kirchenasyl. Menschen finden einen Ort, eine Gemeinde, Gebete und eine erneute Prüfung ihres Asylantrages durch die zuständigen Behörden. Diese Begegnungen stärken unsere Demokratie und das gesellschaftliche Miteinander. Davon bin ich überzeugt.
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