Wort zur Woche
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
Weder Wolf noch Lamm
Wenn ich Auto fahre habe ich Zeit über die mir begegnenden Autofahrer nachzudenken: Was sagen die Aufschriften über den Menschen? Nachdenken muss ich über diesen Spruch: „Lieber ein Wolf Odins als ein Lamm Gottes.“
Sofort spüre ich: Da will einer kämpfen und nicht Opfer sein. Das will ich auch. Das wollte der germanische Göttervater Odin und das wollte Jesus, der als das Lamm Gottes im Johannes-Evangelium bezeichnet wird. Überraschend für mich war zu lernen, dass beide eine große Gemeinsamkeit haben: Beide opfern sich freiwillig selbst! Beide sind Opfer und Täter! Nicht nur sein Auge gab Odin hin, um zu Wissen, Weisheit und Erkenntnis zu gelangen: Er scheute auch nicht davor zurück, sich selbst als Opfer darzubringen. So hängte er sich selbst neun Tage und Nächte an der Weltenesche Yggdrasil auf, um danach mit größerer Weisheit zu neuem Glanz zu gelangen.
Das Selbstopfer Odins am Weltenbaum wird oft als symbolischer Tod mitsamt einer Wiederauferstehung verstanden und deshalb auch mit christlicher Symbolik und christlicher Überlieferung gleichgesetzt. Jesus weiss, dass er mit seiner Liebe für die Menschen nicht überzeugend sein kann, wenn er nicht auch bereit ist zu sterben: Das Lamm Gottes, das meine Schuld konsequent auf sich nimmt und stellvertretend stirbt, damit ich nicht zerbreche. In der griechischen Fabel nach Äsop treffen Lamm und Wolf zusammen. Der Wolf trinkt an einem Bach und bemerkt unterhalb ein Lamm ebenso trinkend. Er bekommt Appetit und sucht Streit. Dem Lamm wirft er vor sein Wasser zu trüben, was jedoch durch den Wasserlauf garnicht geht. Weil die Argumentation nicht klappt greift er zur rohen Gewalt und frisst das Lamm.
So ist die Tierwelt geschaffen. Und die Wölfe nunmehr unter uns in Brandenburg treffen auf Lämmer und beide kommen sie nicht aus ihrer Haut raus. Wir Menschen haben da einen Vorteil: Wir sind nicht verdammt Wolf oder Lamm zu sein, zu fressen oder gefressen zu werden. Wir können über unser Denken und Verhalten nachdenken und uns entsprechend ändern. Wir wissen: Wir können nur gemeinsam leben! In den biblischen Visionen bei Jesaja (65,25) weiden Lamm und Wolf friedlich nebeneinander. Das ist eine schöne, wenn auch noch geträumte Zukunft. Apropos Autobeschriftungen: Auf meinem Auto stand vor Jahren: „Machs wie Gott, werde Mensch!“ Auch nachdenkenswert, oder?
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